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Palast als Beute?

von Nelly Evers 16.12.2024, 11 Min. Lesezeit

Rückblick auf die Veranstaltung ORTS-Termin

Publikumsgespräch während des ORTS-Termins am 19.09.2024 im Foyer des Humboldt Forums mit Barbara Hoidn, Marion Brasch, Hanno Hochmuth und Amelie Deuflhard (v.l.n.r.)
© Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Nelly Evers
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Am 19. September 2024 hatten wir erneut eingeladen zu einer Veranstaltung unserer Reihe ORTS-Termin. Dieses Mal unter dem Motto: »Palast als Beute? Alternativen nach dem Mauerfall«. Das gewählte Datum war kein Zufall. Am 19. September 2024 war es genau 34 Jahre her, dass der Ministerrat der DDR die Schließung des Palastes der Republik aufgrund einer akuten Asbestbelastung beschlossen hatte. Vierzehn Tage nach diesem Beschluss, am 3. Oktober 1990, ging der Palast im Zuge der Deutschen Einheit in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland über. Für den Palast begann damit eine Zeit der Ungewissheit und es stellte sich die Frage, wie mit dem architektonischen Erbe der DDR (und dessen Symbolkraft) umzugehen sei.

In vielen Diskussionen um öffentliche DDR-Gebäude wurde insbesondere der Palast der Republik zum Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen. Die DDR hatte sich bis zuletzt mit diesem Bauwerk geschmückt, wodurch besonders der Palast eine politische Aufladung erfahren hat. In der Entscheidung über den Erhalt oder Abriss des Palastes schwang die oft unausgesprochene Frage nach dem gesellschaftlichen Wert von DDR-Architektur, Kunst und Kultur mit.
In den folgenden Jahren nach 1990 begann für das Palastgebäude die Zeit des Leerstandes. Es folgten der Verkauf des Inventars, die Zeit der Zwischennutzung, die Kunstinstallationen und schließlich der Abriss, die Wiese und die Baustelle des Humboldt Forums mit der Fassade des Berliner Schlosses.

Der ORTS-Termin »Palast als Beute? Alternativen nach dem Fall der Mauer« nahm diese Nachwendezeit als prägende Phase der Berliner Stadtentwicklung zum Anlass, den Palast der Republik in seiner letzten Nutzungsphase zu beleuchten.

Podiumsgespräch während der Veranstaltung ORTS-Termin am 19.09.2024 im Foyer des Humboldt Forums mit Marion Brasch, Barbara Hoidn, Amelie Deuflhard und Hanno Hochmuth (v.l.n.r.)
© Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Nelly Evers

Gemeinsam mit dem Historiker Hanno Hochmuth skizzierte die Moderatorin Marion Brasch die »Goldgräberzeit« Berlins, die viele Investoren anlockte, aber auch für eine blühende Kultur- und Kunstszene in Berlin ausschlaggebend war. Anfang der 1990er Jahre war Berlin eine Spielwiese für Kunst- und Kulturschaffende, denn es waren viele neue Freiräume entstanden, die mitgestaltet werden konnten und die viele Künstler*innen für sich zu nutzen wussten. Die Theaterintendantin und ehemalige Vorsitzende des Vereins »ZwischenPalastNutzung« Amelie Deuflhard berichtete über den »Volkspalast« als Ort für Kunst und Kultur. Sie erinnerte an die zahlreichen Kunstinstallationen und Kulturveranstaltungen, welche im entkernten Palast stattgefunden hatten und schilderte die euphorische Stimmung, die sich unter den Beteiligten breitgemacht hatte. Auch den Widerstand nach dem Abrissbeschluss hat sie noch deutlich in Erinnerung. Die Architektin und Stadtplanerin Barbara Hoidn war an den Diskussionen um den Erhalt des Palastes in verschiedenen verantwortlichen Funktionen beteiligt. Sie war Teil des Expertengremiums, welches von der Bundesregierung bis 2002 beauftragt worden war, eine fundierte Empfehlung auszusprechen. Barbara Hoidn erinnerte an die Zeit des Hauptstadtumzugs und die Diskussionen sowie den Wunsch nach einem Wiederaufbau der historischen Mitte Berlins. Ihre beratende Arbeit in ihrer Rolle als Architektin und Stadtplanerin war von der Frage geprägt: »Was für eine Hauptstadt soll Berlin werden?«

Beim ORTS-Termin entstand ein vielschichtiges Gespräch über diese prägende Phase in den 1990er und 2000er Jahren für Berlin als neue Hauptstadt. Der politische Prozess, der zum Abriss des Palastes der Republik geführt hatte, war langwierig und von intensiven, oft kontroversen Diskussionen geprägt. Nachdem das Gebäude aufgrund seiner Asbestbelastung geschlossen worden war, begann ab 1990 ein zäher Kampf um seinen Erhalt oder Abriss. Dabei standen der symbolische Wert des Palastes für die DDR-Geschichte und die Frage nach der Zukunft des historischen Zentrums von Berlin im Mittelpunkt. Trotz eines breiten Widerstandes begann 2006 der Abriss des Palastes der Republik.

Viele Berlinerinnen und Berliner bewegt diese Phase des Umbaus noch heute. Die Positionen des Publikums zum ORTS-Termins reichten von Fassungslosigkeit bis Zustimmung. Während einige den Abriss des Palastes als Notwendigkeit für die Wiederherstellung der historischen Stadtmitte sehen, empfinden andere ihn als »Auslöschung« eines bedeutenden Symbols der DDR und ihrer Identität.

War der Palast eine Beute? Ja und nein. Die Podiumsteilnehmer*innen kamen zu dem Ergebnis, dass einerseits viele Entscheidungen, die den Palast betrafen, zugunsten einer Neugestaltung des Stadtzentrums ausgefallen waren, dass aber andererseits der Abrissbeschluss auf einer demokratischen Entscheidung beruhte, die durch gewählte Vertreter*innen getroffen worden war.

Die Veranstaltungsreihe ORTS-Termin legt ihren Fokus bereits seit 2016 auf die vielschichtige Geschichte und Architektur des Ortes, an dem sich heute das Humboldt Forum befindet. Sie lädt in der Mechanischen Arena im Foyer des Humboldt Forums zum Dialog ein, um über die facettenreiche Geschichte und Rolle dieses politisch wichtigen Standortes offen zu diskutieren.

Der nächste ORTS-Termin ging weiter zurück in die Geschichte. Am 12. Dezember 2024 drehte sich alles um die koloniale Weltsicht Wilhelm II. und wurde in Zusammenarbeit mit dem Museum Huis Doorn, Niederlande, dem ehemaligen Exil des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. veranstaltet.

Nelly Evers ist seit September 2024 FSJ-lerin im Bereich »Geschichte des Ortes« der Stiftung Humboldt Forum. Geboren in Braunschweig hat sie im Sommer 2024 ihr Abitur gemacht und unterstützt im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres Kultur das GdO-Team.

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