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Wieder wachgeküsst, Objekte aus dem Palast

von Judith Prokasky, Karen Buttler 29.07.2024, 10 Min. Lesezeit

Von der Einlagerung zur Musealisierung

Stühle aus dem Palast der Republik im Depot, 2017
© Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Marco Urban

Im Februar 2016 veranstaltete die Stiftung Humboldt Forum (SHF) gemeinsam mit dem Deutschen Historischen Museum das Symposium »Der Palast der Republik – Erinnerungsort und materielle Kultur«. Rund dreißig Expert*innen aus Forschung, Museen, Denkmalpflege und Politik diskutierten einen möglichen Umgang mit der künstlerischen und gestalterischen Ausstattung des Palastes, die in den Depots der Behörden und Kultureinrichtungen des Bundes lagerten. Die Inneneinrichtung und das Mobiliar waren im Zuge der denkmalpflegerischen Dokumentation durch das Büro Hübner+Oehmig 1997/98 geborgen worden und befanden sich seitdem größtenteils in einer Lagerhalle der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in Berlin-Spandau.

Das Expertengespräch diente dazu, grundsätzliche Fragen zu debattieren: Was soll mit den Objekten langfristig geschehen? Was kann bewahrt und gesichert sowie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – nach welchen Kriterien und in welchem Umfang? Es bestand Handlungsbedarf, zumal die BImA signalisierte, dass sie das Depot in Spandau auflösen wollte. Ideen gab es viele, auch kontroverse – bis hin zu Philipp Oswalts Hinweis, dass Erinnerungskultur auch jenseits von Museen und Ausstellungen im privaten Raum gedeihen würde, also ein Verkauf der Palast-Objekte über den Antiquitätenhandel förderlich sein könne.

Der Künstler Lars Ø. Ramberg bittet während eines Rundganges durch das Depot um Begeisterung mit Applaus-Tafeln aus dem Palast der Republik, 2017
© Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Marco Urban

Um die Diskussion fortzusetzen, lud die SHF zusammen mit der BImA ein knappes Jahr darauf zu einer Begehung des Depots ein. Rund vierzig Personen aus Forschung, Politik, Kunst und Kultur folgten der Einladung. Schubladen wurden geöffnet, Objekte bestaunt und berührt, Fotos von den Hinterlassenschaften aus dem Palast und Selfies der Anwesenden entstanden und man kam miteinander ins Gespräch, teilte Fachwissen und erzählte Anekdoten.

Klaus Beetz, letzter amtierender Direktor des Palastes, beim Anschneiden der Palasttorte unter Applaus der Anwesenden in der Schlossbauhütte, 2017
© Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Marco Urban

Anschließend gab es in der sogenannten Schlossbauhütte (1) der SHF auf der anderen Straßenseite eine Torte anzuschneiden im Design der charakteristischen Palast-Fassade: Es galt, die Buchpublikation des Symposiums zu feiern. Im Rückblick erscheint die Aufteilung des Kuchens wie eine Metapher für den Umgang mit den Resten des Palastes: wer hat noch nicht, wer will noch mal. Jahrzehntelang war das Interesse an den Überresten des Palastes gering, lediglich zu Jahrestagen erinnerten sich Journalist*innen und suchten das Depot auf. Nun waren die Dinge offiziell wachgeküsst. In den folgenden Monaten erklärten verschiedene Museen und Institutionen ihr Interesse und wählten für ihre Sammlungen aus – so auch die Stiftung Humboldt Forum.

Im Sommer 2018 gab der Vorstand der Stiftung Humboldt Forum grünes Licht für die Erarbeitung eines Sammlungskonzeptes, woraufhin die systematische Begutachtung der Objekte begann. Nach Kriterien wie Beispielhaftigkeit, Ausstellbarkeit und Erhaltungszustand wählten die Kolleg*innen des Bereichs »Geschichte des Ortes« sogenannte Belegstücke aus. Die Auswahl umfasste Mobiliar und Ausstattungsteile aus dem Volkskammersaal, dem Jugendtreff, den Foyers und anderen Räumlichkeiten. Darunter befanden sich Elemente des Wegeleitsystems und der ikonischen Stabwerkkugelleuchten, ein Bartresen und Sitzgruppen, außerdem Flaggen, Teppichfragmente, Segmente von Bodenbelägen und Wandverkleidungen aus Marmor sowie zwei keramische Wandgestaltungen aus der Personalkantine.

2019 übernahm die Stiftung rund 750 Objekte. Eine Auswahl an Mobiliar, Teppichfragmenten u.a. gab sie noch im selben Jahr als Leihgaben an die Kunsthalle Rostock für die Ausstellung »Palast der Republik. Utopie, Inspiration, Politikum«.

Etwa 100 Objekte aus diesem und anderen Sammlungsbeständen zur Geschichte des Ortes sind Exponate der Sonderausstellung »Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart« im Humboldt Forum (17. Mai 2024 bis 16. Februar 2025).

Karen Buttler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich »Geschichte des Ortes« der Stiftung Humboldt Forum.

Judith Prokasky ist Teil des Programmteams »Der Palast der Republik ist Gegenwart«. Sie ist promovierte Kunsthistorikerin, Rheinländerin, seit über zwanzig Jahren als Kuratorin & Publizistin tätig, seit Anfang 2014 für die Stiftung Humboldt Forum, aktuell als Programmleiterin für »Der Palast der Republik ist Gegenwart«.

(1) In der 2011 gegründeten Schlossbauhütte in Berlin-Spandau fertigten Bildhauer*innen einen Teil der Skulpturen der rekonstruierten Barockfassaden des Humboldt Forums. (nach oben ↑)

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