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Den Palast ausstellen. Ein Erfahrungsaustausch

von Anja Tack, Elke Neumann 17.11.2023, 18 Min. Lesezeit

Elke Neumann über ihre Arbeit an einer Ausstellung zum Palast der Republik

Die Rostocker Kunsthalle mit der Installation »Echos Echo« der Künstlerin Bettina Pousttchi, 2019
© Bettina Pousttchi / Kunsthalle Rostock, 2019
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Anja Tack: Liebe Elke, Du hast vor einigen Jahren die sehr erfolgreiche Ausstellung »Palast der Republik. Utopie, Inspiration, Politikum« in der Kunsthalle Rostock verantwortet, die nicht nur mehr als 20.000 Besucher*innen anzog, sondern auch zur »Ausstellung des Jahres 2019« vom Internationalen Kunstkritikerverband (Association Internationale des Critiques d’Art, kurz: AICA) gekürt wurde. Wir gratulieren und freuen uns, dass die gelungene Schau diese Anerkennung erhalten hat.

Wir befinden uns inmitten der Vorbereitung einer Ausstellung zum Palast, die am 16. Mai 2024 im Humboldt Forum eröffnet werden soll und wollen gern mit Dir über Deine Erfahrungen sprechen.

Wie kam es zu der Idee, in der Rostocker Kunsthalle eine Schau zum Palast zu machen?

Elke Neumann: Die Idee stammte von Uwe Neumann, dem Direktor der Kunsthalle Rostock. Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, eine solche Schau zu kuratieren und ich war sofort begeistert.

A.T.: Wie kommt man auf die Idee, den Berliner Palast in Rostock auszustellen?

Elke Neumann: Uwe Neumann fand die Idee reizvoll, in Rostock parallel zur Eröffnung des Humboldt Forums 2019 eine Ausstellung zum Palast der Republik zu eröffnen. Ein bisschen nach dem Motto »Berlin eröffnet das Schloss, Rostock feiert den Palast!«. Zu dieser direkten Gegenüberstellung kam es dann ja auf Grund der Verzögerungen bei der Eröffnung des Humboldt Forums gar nicht, aber es war anfänglich Teil der Idee.

Cover des Kataloges zur gleichnamigen Ausstellung in der Rostocker Kunsthalle 2019
Kunsthalle Rostock © Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale), 2019

A.T.: Ausstellungen sind in der Regel Teamarbeit. Wie sah das Rostocker Team aus und wann habt Ihr angefangen, die Ausstellung vorzubereiten?

Elke Neumann: 2017 haben wir begonnen an der Idee zu arbeiten; daran beteiligt war neben Uwe Neumann vor allem Hermann Hülsenberg, der das Projekt grafisch begleitet hat, den sehr schönen Katalog gemacht hat und ein sehr wichtiger Gesprächspartner für die Entwicklung der Idee war. In Rostock war spätestens zum Aufbau der aufwendigen Schau das Team der Kunsthalle von großer Bedeutung, in der Entstehungsphase waren vor allem Melanie Ohst in Rostock eine Hilfe und Sophie Heck, die mit mir in Berlin an der Ausstellung gearbeitet hat.

Im Vordergrund die Arbeit von Nina Fischer & Maroan el Sani »PDR – Tanzboden Erinnerungen«, drehendes Objekt, 4 m Durchmesser; eine Rekonstruktion des Tanzbodens aus dem Jugendtreff des Palastes der Republik, 2004
© Nina Fischer & Maroan el Sani und VG Bild-Kunst, Bonn 2023

A.T.: Der Palast der Republik ist aufgrund seiner politischen Symbolik hoch umstritten. Es gibt Menschen, die sich über dessen Abriss freuen, nicht wenige aber trauern dem Ort nach. Wie bist Du damit umgegangen bzw. wie wirkte sich das auf Deine Arbeit aus?

Elke Neumann: Die Formulierung der Frage lässt mich etwas stutzen, denn viele, die sich über den Abriss freuen, habe ich gar nicht getroffen. Ja, ich war zwar in Kontakt mit vielen Menschen, für die der Palast in seiner Nutzungszeit in der DDR ein »rotes« Tuch gewesen ist und ein Ort, den man gemieden hat. Ich habe mehrfach gehört: »Da ging man nicht hin!« Aber mit zeitlichem Abstand haben viele von jenen, die keine Freunde des Palastes waren und den Ort mieden, den Abriss des Gebäudes nicht unterstützt.

A.T.: Das heißt, dass im Laufe der vergangenen Jahre viele ihre Einstellung zum Palast und zum Abriss geändert haben?

Elke Neumann: Ja, das ist ja das spannende, der Palast wird nicht nur sehr verschieden erinnert und gewertet, sondern diese Einstellungen verändern sich auch. Das macht ja das Thema so interessant. Bis heute haben wir es mit einer Vielfalt an Meinungen zu tun, die immer auch ein Spiegel ihrer Zeit sind.

Die Entscheidung, den Palast abzureißen beispielsweise, war der Zeit geschuldet. 2003 hatte der Palast der Republik auch in den Reihen der ostdeutschen Bundestagsabgeordneten nur wenige Befürworter*innen. Der Berliner Stadtraum sollte eine »Wiederherstellung der historischen Mitte« erfahren und die spannenden Entwicklungen der Nachnutzung des Palastes und die Verwandlung des Ortes in den Jahren zwischen 2004 und 2006 konnten die Entscheidung von 2003 nicht mehr rückgängig machen.

A.T.: Die Nachnutzung des Palastes, die Zeit des sogenannten Volkspalastes, hat Deiner Meinung nach dazu beigetragen, dass sich die Einstellungen zu diesem Ort veränderten?

Elke Neumann: Ja, in vielen Gesprächen hat sich gezeigt, dass ein Teil des Publikums den Palast nicht in seiner aktiven Zeit erinnert, sondern den »Volkspalast« als Experimentierfeld kennen- und lieben gelernt hat. Die damals offene Struktur und Wandelbarkeit einer »unfertigen« Berliner Mitte hat vielen Menschen gefallen und auch einem zeitgenössischen Gefühl Berlins entsprochen. Der »Volkspalast« war ein Symbol für Entwicklung und Prozess, vieles schien möglich. Mir persönlich fehlt auch die Freifläche, die 2009 nach dem Abriss da war: die große Wiese, eine Fläche mit einer sehr großen kontemplativen Qualität, ein wirklich offener öffentlicher Raum!

A.T.: Unsere Erfahrungen sind, dass sehr viele Menschen das Thema emotional stark berührt. Welche Erfahrungen hast Du gemacht?

Elke Neumann: Die an den Palast geknüpften Emotionen waren auch in meiner Arbeit am Thema immer spürbar und erschienen mir aber auch als Energiequelle für das Projekt. An einem Thema zu arbeiten, dass bei jedem, dem man es erzählt, eine Reaktion auslöst, ist absolut spannend.

Zudem hatte ich das Glück, dass die Kunsthalle Rostock als Ausstellungsort kein Teil des politischen Diskurses in Berlin ist. Ich habe öfter gespürt, dass die Ferne in diesem Projekt einiges an Freiheit mit sich gebracht hat.

A.T.: Was konntest Du in Rostock zeigen und erzählen, was Du in einer Berliner Ausstellung zum Thema vielleicht so nicht angesprochen hättest?

Elke Neumann: Ich glaube vor allem, dass es zu dem Zeitpunkt, als wir die Ausstellung in Rostock gemacht haben, keine Institution in Berlin bereit gewesen wäre, eine solche Ausstellung zu zeigen. Es gab 2019 kein vergleichbares Projekt in Berlin. Thematisch hätte ich in Berlin nichts anders gemacht, wir haben ja auch einen klitzekleinen Teil der Ausstellung als Satellit im »KVOST – Kunstverein Ost« in der Leipziger Straße gezeigt. Das hat sehr viel Spaß gemacht und hatte auch in Berlin sehr viele Besucher*innen.

Blick in die Rostocker Ausstellung mit Mobiliar aus dem Palast.
© Kunsthalle Rostock, 2019

A.T.: Was wolltest Du im Kern mit der Ausstellung erzählen? Gab es eine grundlegende Idee, die Dir am Herzen lag und Du gern vermitteln wolltest?

Elke Neumann: Meine Idee war von Anfang an, den Palast nicht zu reinszenieren, obwohl es viele gab, die sich das gewünscht hätten. Meine Idee war es, die künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Palast zu zeigen. Das Thema anhand von Kunst zu erzählen, bot die Möglichkeit, viele Stimmen und vielfältiges Material zum Palast zu zeigen. Das war mir wichtig, und auch alle Phasen des Palastes zu beleuchten. So hatten wir z.B. Arbeiten aus allen »Zeiten« des Ortes dabei: von Fotos der Baustelle des Palastes von Georg Eckelt bis zur Videoarbeit »My Castle Your Castle« von Kerstin Honeit, die in der Baustelle des Humboldt Forums spielt. Am Ende ergab dieser Ansatz eine fragmentarische Erzählung, die Brüche und Leerstellen einbezieht und verschiedene Perspektiven und Meinungen nebeneinanderstehen lässt. Das erschien mir interessant und erlaubte – so meine Idee – die eigenen Erinnerungen und Meinungen dazu zu stellen. Viele Besucher*innen bestätigten mir, dass sie den Ansatz überzeugend fanden, eben nicht zu sagen, schaut her, so war es im Palast, sondern die unterschiedlichsten Positionen zum Palast gleichwertig zu behandeln.

A.T.: Ein Schwerpunkt der Ausstellung sind künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Palast insbesondere mit dessen Aggregatzuständen des Leerstandes, der Zwischennutzung und des Abrisses. Wie gestaltete sich die Suche nach den künstlerischen Stimmen? Wo hast Du gesucht und wen hast Du alles finden und ausstellen können? Sind auch Arbeiten für die Ausstellung entstanden oder hast Du auf bestehende Werke zurückgegriffen?

Elke Neumann: Ich habe viel recherchiert, um an Arbeiten aus allen Zeiten des Palastes zu kommen und ich habe mit zeitgenössischen Künstler*innen gesprochen, die sich aktuell mit dem Palast auseinandergesetzt haben. Wir waren auf der Suche nach Werken und Objekten, die einzelne Facetten des Palastes und seiner Geschichte erfahrbar machen. Vieles musste tatsächlich wiederentdeckt werden.

A.T.: Oh, das klingt interessant. Was hast Du wiederentdeckt?

Elke Neumann: Eine »Wiederentdeckung« waren für mich vor allem Fotos von Thomas Sandberg, Harald Hauswald, Ulrich Wüst und Gerd Danigel, die den Palast, jeder auf seine Weise, in seiner Nutzungszeit zeigten. Aber auch Gemälde und Berliner Stadtansichten, auf denen der Palast wichtiger Bestandteil war, boten eine spannende Sicht. Ein kleines Foto vom Foyer des Palastes hat mir ein besonderes Erlebnis beschert: ich durfte die Schriftstellerin Irina Liebmann kennenlernen. Sie beschrieb nach unserem Treffen in einem literarischen Text ihr ambivalentes Verhältnis zum Palast und seinem Abriss, den wir dann im Katalog abdruckten.

Die meisten Werke zur Ausstellung gab es bereits. Einige wenige entstanden neu. Beispielsweise hat sich Andrea Pichl aus Anlass der Ausstellung in ihrer Arbeit »weilweilweil« mit ihrer Abneigung gegenüber dem Palast der Republik auseinandergesetzt und Bettina Pousttchi, die die Arbeit »Echos Echo« an der Fassade der Kunsthalle Rostock realisierte, konnte ich überzeugen, die bestehende Arbeit »Echo Berlin« weiterzuentwickeln.

Blick in die Rostocker Ausstellung mit dem originalen Tresen aus dem Hauptfoyer im Palast, skulptural installiert und arrangiert von Fred Rubin.
© Fred Rubin / Kunsthalle Rostock, 2019

A.T.: In der Ausstellung sind auch Originalobjekte aus dem Palast wie beispielsweise die drehbare Rundbar aus dem Hauptfoyer im dritten Geschoss des Palastes zu sehen. Unsere Erfahrung ist, dass die Objekte aus dem Palast heute auf unterschiedliche Institutionen verteilt und über das ganze Land verstreut sind. Wie sucht man nach Objekten eines verschwundenen Ortes?

Blick in die Rostocker Ausstellung mit Gemälden aus den Konferenzräumen im Palast.
© Wilhelm Schmied, Ernst Hassebrauk / Kunsthalle Rostock, 2019

Elke Neumann: Da wir nur einen sehr geringen Teil an Ausstattungsstücken in der Ausstellung gezeigt haben, hatten wir das Glück, fast alle Stücke aus einer Hand leihen zu können. Interessant war dabei, dass viele der Möbelstücke, die wir aus dem »Spandauer Lager« des Bundesinnenministeriums geliehen haben, kurz vor unserem Transport ins Inventar des Humboldt Forums übergingen. Der Wandel von »Lagerware« zu »Museumsgut« und die Tatsache, dass Dinge aus dem Palast die ersten Sammlungsinventarnummern im Humboldt Forum erhielten, bringt mich bis heute zum Schmunzeln. Für uns schwieriger war es, die originale Malerei-Ausstattung des Palastes in Teilen nach Rostock zu leihen. Zum einen da die Gemälde der Palastgalerie sehr groß sind und zum anderen, da ich mir in den Kopf gesetzt hatte, die weniger bekannten Gemälde aus den Konferenzräumen zusammenzutragen, die heute in verschiedenen Bundesbehörden die Wände zieren.

Blick in das alte Bilderdepot der Kunsthalle Rostock, das als Ausstellungsraum genutzt wurde. Zu sehen sind Fotos von Doug Hall und Mobiliar aus der Volkskammer.
© Doug Hall / Kunsthalle Rostock, 2019

A.T.: Wenn Du heute nochmal eine Ausstellung zum Palast der Republik machen würdest, würdest Du etwas anders machen und wenn ja, was wäre das?

Elke Neumann: Ich würde vieles wieder so machen; heute könnte man Arbeiten, die seit 2019 entstanden sind, ergänzen. Ich kenne einige spannende. Mit viel Zeit und finanziellen Mitteln könnte man auch die internationale Rezeption des Palastes in der Kunst noch stärker in den Fokus nehmen. Interessant finde ich immer noch die Frage nach der Erinnerung: wie entscheiden wir, ob etwas für uns als erhaltenswert gilt und erinnert werden soll oder nicht. Vielleicht würde ich heute auch den Aspekt des Palastes der Republik als Projektionsfläche für den Prozess der nicht gänzlich abgeschlossenen Wiedervereinigung stärker thematisieren. Der Palast der Republik wird jedenfalls ein symbolischer Ort und ein Thema bleiben, da bin ich sicher.

A.T.: Vielen Dank!

Elke Neumann ist Kunsthistorikerin und Kuratorin. Sie studierte Kunstgeschichte, Neuere Geschichte und Afrikawissenschaften in Berlin und Sevilla und beschäftigte sich in ihrer Promotion mit der »Biennale der Ostseeländer«. Seit 2015 arbeitet sie als freie Kuratorin in Berlin. 2022 gehörte Neumann zum wissenschaftlichen Team des Projektes »Art in Networks. The GDR and its Global Relations« an der TU Dresden.

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