5. Juli 2005
Am 5. Juli 2005 fand im Palast die zehnte und letzte Aufführung des Döblin-Stückes »Berlin Alexanderplatz« von Frank Castorf statt. Die Ruine des Palastes, die offenen, hohen Räume ohne Wände und Decken ermöglichten die Fahrt einer Limousine auf der provisorischen Bühne. Als die »breiteste aller Breitwandbühnen der Theatergeschichte« rühmt die Volksbühne das etwa fünfzig Meter breite Bühnenbild einer Straßenzeile aus gestapelten Containern und Baustellenzäunen, die taz hingegen kommentiert, dass die Dimensionen des Palastes die Kulisse wie ein Miniaturmodell aussehen ließen. Und der Theaterkompass schreibt in seiner Rezension vom »Sound der Metropolen«, den Castorf inszeniert habe. (1)
Ungefähr 6.200 Menschen besuchten das fünfstündige Theaterspektakel.
2001 hatte die Expertenkommission »Historische Mitte Berlin« den Vorschlag von Adrienne Goehler und Bruno Flierl befürwortet, die Ruine des Palastes der Republik nach der Asbestsanierung zu nutzen. Angedacht waren temporäre künstlerische Projekte, die der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden sollten. Einzige Prämisse: die jeweiligen Veranstalter sollten sämtliche durch ihre Nutzung bedingten Kosten und Risiken übernehmen.
Als 2003 die Asbestsanierung abgeschlossen war, begann im Juli 2003 die Zwischennutzung, zunächst mit Führungen durch die Ruine. Dazu kamen vom 4. bis 26. Juli 2003 beachtliche 4.334 Besucher*innen. Mehr als einhundert einstündige Rundgänge, für die festes Schuhwerk und »baustellengerechte Kleidung« empfohlen worden waren, bildeten den Auftakt vieler Aktionen, die bis Dezember 2005 im Palast stattfanden.
Neben Einzelprojekten wie der Theater-Inszenierung von Castorf versammelten sich ab August 2004 unter dem Titel »Volkspalast« viele Projekte. Mehrere Berliner Kulturinstitutionen wie die Sophiensæle und das HAU Hebbel am Ufer gestalteten gemeinsam das Programm.
Das asbestbefreite Stahlskelett des Palastes bot einen einmaligen Raum für die Berliner Kulturszene, den Gesine Danckwart, Dramatikerin und Filmemacherin als »eine geradezu archaisch anmutende, weitläufige, unfassbar riesige Ruine« beschreibt, die »Tausende anzog« und letztlich aufgrund der vielen kulturellen Angebote als »eine energetische Kunstperformance, ein Happening explodierte«. (2)
Danckwart selbst schuf zusammen mit Sven Düfer für die zweite Ausgabe »Volkspalast – Der Berg« – ab 4. August 2005 – eine Videoinstallation namens »Goldstaub«, in der verschiedene Erinnerungen an den Palast dokumentiert wurden.
Innerhalb von zwei Jahren, zwischen Juli 2003 und Dezember 2005, wurde der Palast mit insgesamt 916 Veranstaltungen bespielt und vereinte verschiedene Künstler*innen, Filmemacher*innen, Musiker*innen, Ensembles, Agenturen, Theater und Clubs. Die Interimsnutzung erfreute sich großer Beliebtheit, denn insgesamt nahmen 565.000 Besucher*innen die Programmangebote wahr. (3)
2006 begannen die Abrissarbeiten.
Juliane Bünsche ist studentische Mitarbeiterin im Bereich »Geschichte des Ortes« der Stiftung Humboldt Forum. Sie studiert »Bildung und Vermittlung im Museum« als Master an der HTWK Leipzig und hat zuvor 20 Jahre im Szenenbild bei Kino- und Fernsehproduktionen, national und international, gearbeitet.
(1) BERLIN ALEXANDERPLATZ im Palast der Republik (theaterkompass.de) (nach oben ↑)
(2) Gesine Danckwart, Wem gehört die Mitte? Wer erzählt unsere Gesellschaft?, in: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss (Hrsg.), Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart, Leipzig 2024, S. 191–194. (nach oben ↑)
(3) Zwischennutzung des Palast der Republik. Bilanz einer Transformation 2003ff, hg. von Zwischenpalastnutzung e.V. und Bündnis für den Palast in Kooperation mit Urban Catalyst, Dezember 2005. (PDF) (nach oben ↑)