18. März 1990
Die Friedliche Revolution fand an diesem Tag ihren Höhepunkt, als die Menschen zum ersten und letzten Mal in der Geschichte der DDR frei wählen und nicht wie zuvor lediglich den vorgefertigten Wahlvorschlägen zustimmen konnten, um die Stellung der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) zu sichern.
Im Foyer des Palastes hatten sich die großen TV-Sender ihre Wahlstudios eingerichtet. Der Platz vor dem Gebäude war voller Übertragungswagen. Viele internationale Pressevertreter*innen versuchten anhand der deutschen Entwicklung, Trends für das gesamte Machtgefüge im osteuropäischen Raum abzuleiten.
Die Beschreibungen des Wahlabends von Lothar de Mazière, Spitzenkandidat der ostdeutschen CDU, lesen sich wie ein Abenteuer. Angekommen war er noch ganz entspannt, mit dem Auto, im gegenüberliegenden Marstall, wo unter anderem die Verwaltung des Palastes untergebracht war. Von dort nahm er den unterirdischen Gang in den Palast. Nach der ersten Prognose um 18.00 Uhr verwandelten sich die Pressevertreter*innen in eine ungestüme Gruppe, wie er berichtet, die mal schreiend, mal drängelnd und teilweise mit heftigem Geschiebe versuchte, vor allem de Maizière vor die Kamera zu bekommen.
Die Wahlberechtigten hatten ihre Chance genutzt, die Beteiligung lag bei 93,4 %. Als Favorit für die Wahl galt die SPD mit ihrem Kandidaten Ibrahim Böhme (erster Vorsitzender der SPD der DDR) und nicht das erst im Februar 1990 gegründete Bündnis »Allianz für Deutschland«, zu dem neben der CDU auch der »Demokratische Aufbruch« (DA) und die »Deutsche Soziale Union« (DSU) gehörten. Der DA war ein Zusammenschluss der Bürgerbewegung, die DSU hingegen ein Zusammenschluss von mehreren christlich-sozialen Gruppierungen. Mit sensationellen 48 % gewann die »Allianz« die Wahlen.
Lothar de Mazière erinnert sich, dass nicht er als Spitzenkandidat der ostdeutschen CDU wie verabredet nach der ersten Hochrechnung vor die Kameras im Palastfoyer trat, sondern der damalige CDU Generalsekretär Volker Rühe, der den Wahlsieg Helmut Kohls verkündete. Dieses Vorpreschen der bundesdeutschen CDU entsprach bereits dem politischen Kräfteverhältnis im Vereinigungsprozess, in dem die Gestaltungshoheit nicht bei den ostdeutschen Kolleg*innen liegen würde.
Zum Nach- und Weiterlesen:
Die freie 10. Volkskammer komplett in Wort und Bild | bundestag.de
Freie Volkskammerwahl | LeMO | hdg.de
Lothar de Maizière, »Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen«: Meine Geschichte der deutschen Einheit, Verlag Herder 2011, S. 124f.
Carolin Kaever gehört zum Programmteam »Der Palast der Republik ist Gegenwart«. Geboren und aufgewachsen im Nordosten Berlins studierte sie Amerikanistik, Hispanistik sowie Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig und arbeitete danach vorwiegend an Theatern in Berlin und Baden-Württemberg. Seit September 2021 ist sie Programmreferentin beim Projekt »Palast der Republik« der Stiftung Humboldt Forum.