Was wir von unseren Besucherinnen und Besuchern erfahren
Der Palast der Republik bewegt und beschäftigt auch heute noch viele Menschen. Schon früh war uns im Ausstellungsteam klar, dass wir verschiedene Möglichkeiten der aktiven Teilhabe in der Ausstellung anbieten wollen. Neben der beschreibbaren Bronzewand im ersten Ausstellungsraum, die an die Fassade des Palastes erinnert und dazu auffordert zu teilen, was man für erinnerungswürdig erachtet, gibt es im zweiten Raum fünf sogenannte partizipative Stationen. An diesen erfragen wir Wissen und Meinungen der Besucherinnen und Besucher zum Palast. Wir freuen uns sehr darüber, dass diese Partizipationsgebote seit der Eröffnung rege genutzt werden.
Hin und weg
Der Palast der Republik ist Gegenwart
bis 16. Februar 2025
Gemeinsam mit unserem studentischen Praktikanten im Bereich Geschichte des Ortes, Leon Ponndorf, und dem studentischen Mitarbeiter der Akademie, Simon Jende, haben wir eine erste Auswertung der Beiträge dieser fünf Stationen vorgenommen.
Im Zeitraum vom 17. Mai bis zum 25. Juni 2024 wurden an den fünf Stationen der Ausstellung insgesamt 917 Antworten abgenommen, in Grundzügen erfasst und auf die gestellten Fragestellungen hin ausgewertet. Die hinterlassenen Beiträge der Besucher*innen verteilen sich auf die verschiedenen Fragestellungen wie folgt:
Auf die Frage an der ersten Station »Wissen Sie, was mit Gegenständen aus dem Palast passiert ist?«, erhielten wir 87 Antworten. Bei der zweiten Station geht es um eine Einschätzung: »Was denken Sie? Was war mit der Bezeichnung ›Palast der Republik‹ gemeint?«, worauf 126 Menschen antworteten. An der dritten Station wird gefragt: »Kennen Sie Geschichten zum Palast der Republik?«, woraufhin wir 121 Karten erhalten haben. An der vierten Station erfragen wir wieder eine Einschätzung: »Was denken Sie? Welche Rolle spielte Politik im Palast der Republik?« Hier haben wir 107 Reaktionen erhalten. An der letzten Station möchten wir wissen: »Hätte der Palast weiter genutzt werden sollen?« Darauf haben sage und schreibe 476 Personen innerhalb der ersten fünf Ausstellungswochen geantwortet.
Jeden Dienstag werden die Karten von den Stationen eingesammelt. Dabei verbleiben pro Haken an jeder Station ein bis drei Antworten als Inspiration für nachfolgende Besucher*innen. In die Auswertung der ersten fünf Wochen seit Ausstellungseröffnung haben wir knapp sechs Wochen Arbeitszeit investiert. Das Erfassen, sprich das Übertragen in eine Tabelle, stellte hierbei den aufwendigsten Teil dar, vor allem das Entziffern und die Deutung der vielen, mitunter internationalen Kommentare waren besonders zeitintensiv. Auch die Mehrdeutigkeit und Länge der Antworten stellten eine Herausforderung in der Einordnung und Auswertung der Karten dar. Während der Auswertung der Beiträge sammeln wir ständig neue Erkenntnisse und optimieren unseren Erfassungsprozess, sodass wir schließlich den größtmöglichen Mehrwert aus den Partizipationsstationen ziehen können und die Auswertung der restlichen Monate durch eine spezialisierte Firma vorbereiten können.
Alle Karten haben wir nach folgenden Kriterien zugeordnet und ausgewertet: An welcher Station und in welchem Zeitraum wurde die Antwort abgegeben? Wurde auf die Fragestellung eingegangen oder nicht? Zudem listen wir Highlight-Beiträge mit bemerkenswertem Inhalt. Innerhalb der einzelnen Stationen haben wir nochmals differenziert und versucht, die Antworten und Kommentare thematisch zu ordnen.
Station 1: »Wissen Sie, was mit Gegenständen aus dem Palast passiert ist?«
An der ersten Station, die nach dem Verbleib von Objekten aus dem Palast fragt, wurden uns zehn konkrete Orte genannt (11,49 %). Es scheint, dass die Besucher*innen einige dieser Orte der Grafik auf der Rückseite der Station entnommen oder womöglich an anderer Stelle in der Ausstellung erfahren haben. Weitere 21 Personen haben ihre Vermutungen mit uns geteilt (24,14 %), z.B. »Das meiste wurde einfach weggeschmissen« oder »Vermutlich auf dubiose Weise verscherbelt und verkauft«. Doch auch der ein oder andere uns noch unbekannte Hinweis ist eingegangen, dem wir nun nachgehen können: z.B. wissen wir nun, dass sich noch Lampen im Kulturhaus in Pritzwalk befinden.
Station 2: »Was denken Sie? Was war mit der Bezeichnung ›Palast der Republik‹ gemeint?«
Die Auswertung der zweiten Station, die danach fragt, was mit der Bezeichnung ›Palast der Republik‹ gemeint war, hat Folgendes ergeben: Rund die Hälfte der Beiträge haben sich klar zur Fragestellung verhalten. Von diesen vertreten 12 Personen (9,45 %) die Ansicht, dass der Palast eindeutig ein Staatsbau war. Für 37 (29,13 %) war der Palast ein Haus des Volkes. Weitere 11 Personen (8,66 %) äußerten, dass der Palast für sie beides gleichermaßen bedeutete. Somit lassen die Rückmeldungen eine eindeutige Tendenz über das allgemein vorherrschende Palast-Bild unter unseren Besuchenden vernehmen. Wir sind gespannt auf das Ergebnis der Auswertung nach dem Ende der neunmonatigen Laufzeit der Ausstellung.
Hier zwei Kommentarkarten, welche die Antworten an der zweiten Station besonders gut repräsentieren:
Station 3: »Kennen Sie Geschichten zum Palast der Republik?«
Die Bandbreite der hinterlassenen Geschichten an Station drei ist besonders bemerkenswert. Von den 121 Antworten auf die Frage »Kennen Sie Geschichten zum Palast der Republik?« beziehen sich 68 direkt auf die Fragestellung (56,2 %) und berichten von persönlichen Erfahrungen oder anderen Erzählungen über den Palast. Aufgeschrieben wurden 52 direkte Erinnerungen (42,98 %). Sie berichten von Klassenfahrten oder Familienausflügen sowie von Konzerten und sie erinnern an Besuche in den Cafés und Restaurants im Palast. Besonders häufig werden Udo Lindenbergs Konzert und Kinderveranstaltungen erwähnt. Aber auch 16 Geschichten aus zweiter Hand beispielsweise Erzählungen von Familienmitgliedern oder aus den Nachrichten wurden uns überlassen (13,22 %), die sich in der Hauptsache auf die Zeit nach der Schließung des Palastes im September 1990 beziehen. Das heißt, diese Beiträge beschäftigen sich mit den Themen Asbest, Leerstand, der kulturellen Zwischennutzung und dem Abriss des Gebäudes.
Unsere Highlight-Antworten sind hier zwei kaum bekannte Veranstaltungen:
Station 4: »Was denken Sie? Welche Rolle spielte Politik im Palast der Republik?«
Bei Station vier haben wir 4 spezifische Antwort-Kategorien für die Auswertung aufgestellt. Von den insgesamt 107 abgegebenen Beiträgen geben 42 ihre Einschätzung ab (39,25 %), welche Rolle Politik im Palast gespielt habe.
11 Personen schreiben (10,28 %), dass die Politik eine Rolle spielte, führen aber nicht weiter aus, welchen Anteil sie hatte. Für 18 Beitragende spielte die Politik im Palast eine große Rolle (16,82 %). Für 7 andere wiederum gar keine (6,54 %) und für 6 Personen nur eine kleine Rolle (5,61 %). Die Mehrzahl der Rückmeldungen (32,71 %) deutet darauf hin, dass unsere Besucher*innen den Palast als einen politisch relevanten Ort bewerten.
Zwei Beispiele, die die Spannbreite der Antworten an der vierten Partizipationsstation verdeutlichen:
Station 5: »Hätte der Palast weiter genutzt werden sollen?«
Die fünfte und letzte Station ist mit Abstand unsere nutzungsintensivste. Von den 476 Antworten reagieren 395 direkt auf die Fragestellung (82,98 %), ob der Palast hätte weiterhin genutzt werden sollen. Wir deuten diese zahlreichen Beiträge als ein Zeichen, dass wir mit der Fragestellung einen Nerv bei unserem Publikum getroffen haben – aber wie votieren unsere Besucher*innen?
Für die Weiternutzung des Palastes haben sich 325 Menschen ausgesprochen, das sind satte 68,28 %. Die meisten hätten ihn gerne als Kulturort in der Mitte Berlins erhalten, aber über die konkrete Nutzung scheiden sich die Geister. Manche plädieren für eine Nutzung als Museum oder Gedenkstätte, andere wünschen sich eine Weiternutzung als Kulturhaus mit Veranstaltungen und einige wenige hätten gerne eine Diskothek. Vor allem wird der Abriss des Hauses kritisiert. Nicht wenige verstehen diesen als Gestus einer bewussten Verdrängung von Erinnerung an die DDR und damit auch der deutsch-deutschen Vergangenheit.
Dagegen halten 47 Rückmeldungen (9,87 %), die den Abriss des Palastes richtig finden. Fünf Ausstellungsbesucher*innen sind mit dem Humboldt Forum in seiner jetzigen Form zufrieden (1,05 %), vier weitere finden, dass die Wiederherstellung der Schlossfassaden der richtige Schritt war (0,84 %). 13 Menschen hätten sich eine Mischform aus Palast und Humboldt Forum vorstellen können (2,73 %).
Ausgewählte Beispiele der fünften Station zeigen die Vielschichtigkeit der Antworten und geben einen Einblick von der Komplexität des Materials:
Fazit
Dank der regen Teilnahme erhalten wir nach und nach ein besseres Bild davon, wie unsere Besucher*innen den Palast der Republik erinnern, bewerten und wie der Umgang mit der DDR-Geschichte an diesem Ort – im Humboldt Forum – angenommen wird. Wir sind gespannt auf die Auswertung der Besucherstimmen am Ende der Ausstellung.
Noch bis zum 16. Februar 2025 könnt Ihr Eure Kommentare, Meinungen und Antworten abgeben oder auch einfach so – kommentarlos – unsere Ausstellung besuchen. Wir freuen uns auf Euch.
Dominique Falentin ist Teil des kuratorischen Ausstellungsteams »Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart« und des Programmteams. Sie ist Kunstwissenschaftlerin und seit 2012 in Berlin. Sie absolvierte ihr Studium an der Freien Universität, der Humboldt Universität und der Technischen Universität Berlin. Ihre Masterarbeit schrieb sie über den Palast der Republik in der Erinnerungskultur anhand von Ausstellungen des Jahres 2019. Seit Mitte 2022 ist sie wissenschaftliche Assistentin beim Projekt Palast der Republik in der Stiftung Humboldt Forum.