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Palast der Republik – Orte erinnern an die DDR

von Laura Paetsch 24.01.2025, 13 Min. Lesezeit

Gedanken zum Palast in der Erinnerung

»Wie kann ein Ort, der mitten in Berlin ist, ein Lost Space sein?«, Illustration des Graphic Recordings im Rahmen der Thementage »Ohne Ende Palast« am 15. und 16. Juni 2024
© graphicrecording.cool (Johanna Benz, Tiziana Beck) / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
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Als 2013 der partielle Wiederaufbau des Berliner Schlosses begann, scheint der Palast der Republik endgültig ein Lost Place geworden zu sein – oder? Das ehemalige kulturelle Zentrum Ost-Berlins hat kein sichtbares Denkmal vor Ort. Dafür gibt es jedoch einzelne Ausstellungen im Humboldt Forum wie die im Mai 2024 eröffnete große Sonderausstellung »Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart«, welche an seine Existenz und Bedeutung erinnert und Zeitzeug*innen einen Raum gibt zu berichten. Sie schafft die Möglichkeit und den Raum, sich über subjektive Erfahrungen und Erlebnisse auszutauschen oder ins Gespräch zu kommen über den Abriss des Palastes, gegenwärtige Erinnerungskulturen und ganz unterschiedlich geprägte kollektive Gedächtnisse.
Als Prestigeobjekt stand der Palast der Republik im Zentrum des gesellschaftlichen Geschehens, er war Haus kultureller Ereignisse mit gleichzeitigem Sitz der Volkskammer und als Bauwerk mit DDR-spezifischer Architektur stellte er ein bestimmtes Bild der DDR dar, welches umstritten war und immer noch ist. Die ambivalenten Haltungen der Ostdeutschen gegenüber dem Palast wurden schon kurz nach seiner Eröffnung deutlich. Insbesondere wurde die Verschwendung der Ressourcen für solch einen prunkvollen Bau kritisiert, die an anderer Stelle fehlten wie beim Wohnungsbau. Dennoch war der Palast ein viel besuchter und beliebter Treffpunkt sowie Veranstaltungsort.
Zwei Besucher*innen unseres »Palastkonsulates« berichteten von ihrer Studierendenzeit, in der sie am Bau des Palastes mitwirkten. Sie erzählten von dem üblichen Prozedere vor Ort: Um dem Ressourcenverlust vorzubeugen, sei es normal gewesen, defekte Bauteile von der Baustelle mitzunehmen und anderweitig zu verbauen. Ihrer Meinung nach sorgten sie damit nicht nur für die Wiederverwertung der Materialien, sondern auch für Reparaturen oder zusätzliches Equipment in den eigenen vier Wänden. Sie betonten, dass die Massen an Baumaterial oder auch Gegenständen einfach entsorgt worden wären und beschrieben das Mitnehmen von Dingen als Akt, um der Verschwendung entgegenzuwirken, was jedoch etwas Mut erforderte.
Die Frage, die uns umtrieb und der wir mit dem Angebot des »Palastkonsulates« nachgehen wollten, war, wer welche Erinnerung mit dem Ort des heutigen Humboldt Forums verbindet und in den Vordergrund stellt. Spielt doch eben jene Erinnerung und die damit verknüpfte Idee einer Gestaltung des Stadtzentrums eine wichtige Rolle in der Debatte um das Humboldt Forum und um eben diesen geschichts- und erinnerungsgeprägten Ort in Berlin. Die Erinnerungskultur in der DDR genauso wie die an die DDR unterscheiden sich bis heute von der der Bundesrepublik.
Stelle man sich vor, die Geschichte würde sich erneut wiederholen und der Palast der Republik an Stelle des Humboldt Forums wiedererrichtet werden, würde seine Existenz das Bild des wiedervereinigten Deutschlands stören? Würde er erneut als »Ballast der Republik« und negativ aufgeladenes Mahnmal gelten? Würde der Palast der Republik heute immer noch durch die vielen ambivalenten Kritiken als Bauwerk des Sozialismus, als Denkmal der DDR wahrgenommen werden können? Könnte seine Wiedererrichtung die Widersprüchlichkeit des Sozialismus in der DDR zum Ausdruck bringen?
Die Teilrekonstruktion des Schlosses kann gedeutet werden als Versuch der Renaissance einer kollektiven Erinnerung an die Zeit vor der Teilung in DDR und BRD. Ein Schloss als solches ist ein Gebäude aus einer längst vergangenen Epoche, aus Zeiten, in denen Monarchien präsent waren. Durch die vermeintliche Wiederherstellung der äußeren Gestalt des alten Berliner Schlosses kann der Eindruck entstehen, im Berliner Zentrum solle wieder an die Monarchie erinnert werden. Der wiedererrichtete Palast an Stelle des Humboldt Forums könnte hingegen für die Überwindung dieser Idee von Monarchie und Kaiserreich stehen, als Symbol der Aufklärung und des Fortschrittes durch Sozialismus, als ein Erinnerungsort der Geschichte zwischen 1945 und 1990. Dennoch symbolisiert für viele das in Teilen wiedererrichtete Schloss im Humboldt Forum eine Art »Einheit des Landes« und der Palast erinnere an dessen Teilung.
Von der Schließung bis zum Abriss durchlief der Palast der Republik diverse Phasen, die nicht immer vorhersehbar oder geplant waren: von prunkvollem Treffpunkt für DDR-Bürger*innen verfiel er zum leerstehenden Gebäudeklotz, jedoch mit kreativer Zwischennutzung als Schlauchbootparkour, Konzerthalle und riesiges Atelier für Künstler*innen, bis er aufgrund der Asbestbelastung schlussendlich doch abgerissen wurde. Noch kurz vor Ende der DDR musste bereits die frei gewählte Volkskammer aus dem Palast ausziehen – wegen der Asbestbelastung – hinein in das Haus des Zentralkomitees der SED. »Drei Tage vor der Wiedervereinigung von BRD und DDR musste ich dann da hin! Das war ja wohl mehr als lächerlich! Wissen Sie wieso? Das ZK-Haus war ja noch viel mehr verseucht als der Palast, wusste damals nur noch keiner. Den Umzug hätten wir uns sparen können und den Palast, so wie er war, [belassen sollen]« – berichtete eine Besucherin unseres Konsulates, die Mitglied der letzten Volkskammer der DDR war, nur kurz angebunden, aber die Wichtigkeit ihrer Erfahrung und Meinung zum Abriss des Palastes sehr betonte.
Genauso wie die DDR in ihrer Nationalhymne als »Auferstanden aus Ruinen« besungen wurde, so war der Palast erbaut auf Ruinen des alten Berliner Schlosses – fast, denn für den Bau des Palastes wurde das gesamte Schlossfundament abgetragen. Die Geschichte des Palastes der Republik kann als Verkörperung der Geschichte der DDR gedeutet werden, als Geschichte eines Landes, das ebenso nicht mehr existent ist. Gegenstände aus dem Palast gibt es bis heute zu erwerben, es existieren zahlreiche Fotografien und Videoaufnahmen vom Palast und vielerorts werden Menschen dazu eingeladen, von ihren Erinnerungen zu berichten – so auch im Humboldt Forum –, wo nun hinter Schlossfassaden an die sozialistische Vergangenheit des Ortes erinnert wird. Die Erfahrung, die wir im Konsulat machten, war, dass es einigen Besuchenden schwerfiel, das Ausstellungsangebot zum Palast der Republik im Humboldt Forum anzunehmen. Einerseits begrüßten sie die Ausstellung und die Beschäftigung mit dem Thema, andererseits lehnten sie das Humboldt Forum als legitimen Ort, an dem die Geschichte des Palastes und mit ihm auch die der DDR erzählt wird, ab.
Viele Teile des Palastes sind nach der Zerstörung des Baus recycelt worden oder fanden eine museale Verwendung. Beispielsweise wurden Fenster in Gartenlauben eingebaut oder sind anderweitig verbaut worden wie beispielsweise im Burj Khalifa in Dubai. Geschirr aus dem Palast lässt sich heute in Glasvitrinen von DDR-Liebhaber*innen oder im DDR Museum in Berlin betrachten. In seinen Einzelteilen und in der Erinnerung besteht der Palast schließlich bis heute weiter.
Ein kritischer Blick auf die Erinnerungskultur und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Deutschlands sowohl in der BRD als auch in der DDR sowie heute, insbesondere der Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 fand unterschiedlich statt und die Auswirkungen sind gegenwärtig sicht- und spürbar. Dass die Aufarbeitung der Vergangenheit essentiell ist, um einen Umgang mit der Geschichte zu finden, ist meiner Meinung nach unbestreitbar. Umso wichtiger sind daher die Auseinandersetzungen über das ehemalige sozialistische Deutschland und die Menschen, die in ihm gelebt haben. Die ausgebliebene Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der ehemaligen DDR muss in eine gesamtheitliche Betrachtung der ostdeutschen Vergangenheit einfließen. Auch die Konfrontation mit Deutschlands Vergangenheit als Kolonialmacht sollte nicht vergessen werden.
Ob der Bau eines vollkommen neuen Gebäudes im Zentrum Berlins besser gewesen wäre, die Spreewiese als Grünanlage hätte bestehen bleiben sollen, der Palast der Republik nach der Asbestsanierung wieder hätte nutzbar gemacht werden sollen oder das jetzige Humboldt Forum die geeignete Nutzung der historischen Berliner Mitte ist, bleiben weiterhin Fragen, denen wir uns gesamtgesellschaftlich stellen sollten. In der Erinnerungskultur sind eben diese individuellen Sichtweisen und Erlebnisse interessant und notwendig. Mit unserem »Palastkonsulat« haben wir versucht, diesen vielfältigen Stimmen Raum zu geben und dadurch den Blick für die Vielfältigkeit des Palastes und die Erinnerungen an ihn zu schärfen.

Zum Nach- und Weiterlesen

Moritz Holfelder, Palast der Republik. Aufstieg und Fall eines symbolischen Gebäudes, Berlin 2008.

Elke Neumann, Kunsthalle Rostock (Hrsg.), Palast der Republik. Utopie, Inspiration, Politikum, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Rostock vom 1. Juni bis 13. Oktober 2019, Halle 2019.

Thomas Großbölting, Die DDR im vereinten Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), H. 25–26/2010. | www.bpb.de

Wolfgang Benz (Hrsg.), Nachwirkungen der DDR-Propaganda im Israelbild der Gegenwart, in: Antisemitismus in der DDR. Manifestation und Folgen des Feindbildes Israel, Berlin 2018.

Bénédicte Savoy, Die Provenienz der Kultur. Von der Trauer des Verlusts zum universalen Menschheitserbe, Berlin 2018.

Birgit Wolf, Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch, Berlin 2000.

Bundeszentrale für politische Bildung, 1950: Das Berliner Stadtschloss wird gesprengt, vom 4. September 2015 | www.bpb.de

DDR Museum, Fenster aus dem Palast der Republik | www.ddr-museum.de

Jasmin Werner, Palast der Republik im Burj Khalifa, 2022 | www.goethe.de

Laura Paetsch war Teil des Themenwochenendes »Ohne Ende Palast« im Juni 2024 der Sonderausstellung »Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart«. Durch die Biografie ihrer Familie und die hierdurch prägende Sozialisation hörte sie schon in der Kindheit vom Leben in der DDR und auch von dem ominösen Lampenladen. Sie ist Sozialarbeiterin und studiert im Zweitstudium Kulturwissenschaft und europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität. Im Wintersemester 2022/23 nahm sie am Seminar zum Palast der Republik teil, aus dem Ideen teilweise in das Programm am Humboldt Forum einfließen konnten.

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