7. September 1950
Von 1451 bis 1950 stand das Berliner Stadtschloss[1] auf der Spreeinsel. In dieser Zeit wurde es mehrmals um– und überbaut. Am 7. September 1950 begann die Sprengung des im Krieg größtenteils zerstörten Gebäudes. Mit dem Beschluss, das Gebäude zu sprengen, hatte sich die junge DDR-Regierung bewusst gegen den Wiederaufbau entschieden. Die sozialistische Führung unter Walter Ulbricht sah in dem Schloss ein Symbol des preußischen Militarismus und des deutschen Imperialismus, die sie ablehnte. Die SED wollte ein neues gesellschaftliches und politisches System etablieren, das sich klar von der Vergangenheit abgrenzte. Die Sprengung des Stadtschlosses symbolisierte einen Bruch mit der preußischen und kaiserlichen Vergangenheit.
Das Gebäude war eines der geschichtsträchtigsten in ganz Berlin. Erbaut von 1443 bis 1451 diente es als Residenz der Kurfürsten und wurde über Jahrhunderte vom Adelsgeschlecht der Hohenzollern genutzt. Kaiser und Könige gingen hier ein und aus. Aufgrund seiner Symbolkraft wurde das Schloss immer wieder auch Ort bedeutsamer historischer Ereignisse beispielsweise rief Karl Liebknecht vom Balkon des Schlosses 1918 die freie sozialistische Republik aus.
Während des Zweiten Weltkrieges im Februar 1945 wurde das Schloss durch mehrere Angriffe der Royal und US Air Force stark beschädigt und brannte zu großen Teilen aus, wäre aber unter Aufwendung entsprechender Materialien und finanzieller Mittel noch zu retten gewesen. Dennoch entschied sich die DDR-Regierung gegen den Wiederaufbau.
Nach dem Abriss gab es viele Debatten über eine Nutzung der Fläche des ab 1951 Marx-Engels-Platz genannten Areals. Ein neues »Zentrales Gebäude« sollte her. Die ersten Vorschläge und Gebäudekonzepte sahen größtenteils einen Bau im Stil des Sozialistischen Klassizismus, auch Zuckerbäckerstil genannt, vor, der sich an der Lomonossov-Universität in Moskau orientieren sollte.[2] Doch es kam anders, denn zunächst wurde aus Teilen der Überreste eine Tribüne für Paraden und Aufmärsche errichtet, die knapp 20 Jahre stehen blieb.
Der Abbruch des Schlosses und der Tribüne bereiteten den Weg für den Bau des Palastes der Republik zwischen 1973 und 1976. Der Palast diente als Sitz der Volkskammer der DDR und war Ort für verschiedene kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen. Doch auch er war nicht unumstritten und wurde kurz vor der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 aufgrund von Asbestbelastung geschlossen.
Interessanterweise hatte die Sprengung des Stadtschlosses zu einer intensiven Debatte über die städtebauliche und kulturelle Identität Berlins geführt, die ab den 1990er Jahren aufgrund der Schließung des Palastes wieder aufflammte. Letztlich beschloss der Deutsche Bundestag 2002 die Rekonstruktion von drei Außenfassaden des Berliner Stadtschlosses.
Von 2003 bis 2006 wurde der Palast für verschiedene kulturelle Veranstaltungen zwischengenutzt. Im Anschluss daran wurde er ab 2006 abgerissen. Der Neubau, das Humboldt Forum, kombiniert eine originalgetreue Rekonstruktion der historischen Fassaden mit modernen Innenräumen und dient als kulturelles Zentrum. Aber auch an anderen Orten lebt die Erinnerung an das alte Berliner Schloss weiter. Beispielsweise an der Außenfassade des ehemaligen Staatsratsgebäudes der DDR, wo das alte Portal IV zu Teilen verbaut wurde und heute noch gut erkennbar ist – gegenüber dem Portal II im Humboldt Forum auf der anderen Straßenseite.
Zum Nach- und Weiterlesen:
Die Sprengung des Berliner Stadtschlosses | www.bundestag.de
Leon Ponndorf war als Praktikant im Rahmen seines Bachelor-Studiums im Humboldt Forum tätig. Geboren in Berlin und aufgewachsen in Brandenburg ist er derzeit Student an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. Als Teil der Offizierslaufbahn studiert er dort seit 2022 Geschichtswissenschaften. Er unterstützte im August 2024 das Team des Bereiches Geschichte des Ortes.
[1] Das Schloss wird als Berliner Schloss bezeichnet, aber umgangssprachlich Berliner Stadtschloss oder nur Stadtschloss genannt.
[2] Siehe Uta Kornmeier, Kulturpaläste. Versuch einer Annäherung, in: Stiftung Humboldt Forum (Hrsg.): Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart, Leipzig 2024, S. 56.