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2. Oktober 1990

von Reinhard Alings 02.10.2024, 3 Min. Lesezeit

#otd: Die letzte Sitzung der Volkskammer

»Die Volkskammersitzungen liefen im Fernsehen und hatten höhere Einschaltquoten als die Lindenstraße», Illustration des Graphic Recordings im Rahmen des Fachtages ORTS-Termin Palast-Treff am 3.10.2022
© graphicrecording.cool (Johanna Benz, Tiziana Beck) / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
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Ab 1976 hatte die Volkskammer, das Parlament der DDR, seinen ständigen Sitz im Palast der Republik. Als reines Akklamationsparlament, dessen Aufgabe darauf beschränkt blieb, den Beschlüssen des Politbüros lediglich zuzustimmen, tagte sie hier maximal viermal im Jahr. Dies änderte sich grundlegend in der Zeit der Friedlichen Revolution.

Ab dem 5. April 1990 hatte die erstmals frei gewählte Volkskammer 164 Gesetze und 93 Beschlüsse verabschiedet. Nach Schließung des Palastes am 19. September 1990 fand sie provisorisch einen neuen Ort im Haus der Parlamentarier, dem ehemaligen Gebäude des Zentralkomitees der SED. Zur letzten feierlichen 38. Sitzung kam sie dagegen im repräsentativeren einstigen Staatsratsgebäude, jetzt »Verwaltung Staatsoberhaupt« genannt, zusammen, am 2. Oktober 1990, also einen Tag vor Inkrafttreten des Beitrittsbeschlusses zur Bundesrepublik Deutschland.

Die Sitzung begann um 17.10 Uhr und endete um 18.45 Uhr. Sie hatte lediglich zwei Tagesordnungspunkte: Die Erklärungen sämtlicher Fraktionsvorsitzender sowie das Schlusswort der Präsidentin, Sabine Bergmann-Pohl.(1) Zu ihren letzten Worten gehörte der aus heutiger Sicht sehr prophetische Appell zur »Achtung vor dem Andersdenkenden« (…) »gerade gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern (…). Wir wollen nicht neue Mauern aufbauen, unter deren Lasten wir in der Vergangenheit selbst so gelitten haben«.(2)

Als letzte Amtshandlung unterzeichnete Sabine Bergmann-Pohl als Staatsoberhaupt noch eine Begnadigung, dann ging es zum Festakt ins Konzerthaus. Anschließend begannen die öffentlichen Feierlichkeiten zum 3. Oktober.(3) Aus Sicherheitsgründen hatten bereits vor 0.00 Uhr die Bundespolizei und die West-Berliner Polizei die Hoheit auch in Ost-Berlin übernommen.

In den Deutschen Bundestag zogen 144 Abgeordnete der 10. Volkskammer ein.

Reinhard Alings ist Teil des Programmteams »Der Palast der Republik ist Gegenwart«. Er ist Kurator der gleichnamigen Ausstellung, die ab Mai 2024 im Humboldt Forum zu sehen sein wird.

(1) Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik, Protokoll, 10. Wahlperiode, 38. Tagung vom 2. 10. 1990, S. 1863-1872 (nach oben ↑)
(2) Ebd. S. 1872 (nach oben ↑)
(3) Vgl. S. Bergmann-Pohl, Abschied ohne Tränen. Berlin 1991, S. 168-179 (nach oben ↑)

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