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15. April 1982

von Juliane Bünsche 15.04.2024, 4 Min. Lesezeit

#otd: »Reineke Fuchs« im Theater im Palast, vorgetragen von Eberhard Esche

Programmheft zur Premiere der Veranstaltung »Reineke Fuchs« am 15. April 1982
programmhefte24.de

Am 15. April 1982 stand der prominente DDR-Schauspieler Eberhard Esche mit dem Versepos »Reineke Fuchs« von Johann Wolfgang von Goethe im Theater im Palast, kurz TiP, auf der Bühne.

Aus der fabelartigen Erzählung über einen Fuchs, der seine Schläue und Selbstliebe nur zu seinem eigenen Vorteil nutzt und gleichzeitig die Gier, Machtliebe und untertänige Dummheit der Anderen vorführt, machte Esche ein virtuoses Spiel: mit Pausen, lauten und leisen Passagen und einem Stimmenwechsel zwischen den verschiedenen, auftretenden Tieren. Goethes Kritik am höfischen Leben interpretierend, gelang es Esche, leise Zwischentöne einer Gesellschaftskritik anzuschlagen, die im Untertanengeist gepaart mit Angst eine Hürde für freiheitliche Kultur aufscheinen ließen.

Der Veranstaltungsort, das TiP, war ein besonderer Ort im Palast. Geleitet von der Schauspielerin und Sängerin Vera Oelschlegel, war diese Bühne bekannt für Lesungen, Werkstattgespräche, Konzerte und experimentelle Aufführungen, die mitunter den kritischen Freiraum nutzten, den klassische Stücke wie Goethes »Reineke Fuchs« bieten und die auf Schauspieler setzten, die diese Kritik zum Klingen bringen konnten.

Der Abend war ein Erfolg, wie immer, wenn Esche als Rezitator auf der Bühne stand. Esche (1933–2006) hatte an der Theaterhochschule »Hans Otto« in Leipzig studiert und war seit 1961 am Deutschen Theater in Berlin engagiert sowie bekannt aus Film- und Fernsehproduktionen. Er spielte unter anderem die Hauptrolle Manfred in »Der geteilte Himmel«, einer Erzählung von Christa Wolf, inszeniert von Konrad Wolf aus dem Jahr 1964. Auch war Esche in der Hauptrolle des Parteisekretärs Horrath in »Spur der Steine« zu sehen, einem Film des Regisseurs Frank Beyer nach Vorlage des gleichnamigen Romans von Erik Neutsch, der 1966 in die Kinos kam.
Beiden Filmen war gemein, dass sie nach wenigen Kinoaufführungen verboten und aus dem Programm genommen worden sind. Diese Zensur spiegelte die kulturelle Stagnation nach dem 11. Plenum des ZK (Zentralkomitee der SED) 1965, das als »Kahlschlagplenum« in die Geschichte der repressiven Kulturpolitik der DDR eingegangen ist.

Trotz der parteipolitischen Eingriffe gehörte Eberhard Esche mit seiner Kunst zu den beliebtesten Schauspielern in der DDR. Das Publikum schätzte seine feinen kritischen Positionen.

Einen Mitschnitt der Aufführung Esches im TiP aus dem Jahr 1984 findet Ihr hier:

Juliane Bünsche ist studentische Mitarbeiterin im Bereich »Geschichte des Ortes« der Stiftung Humboldt Forum. Sie studiert »Bildung und Vermittlung im Museum« als Master an der HTWK Leipzig und hat zuvor 20 Jahre im Szenenbild bei Kino- und Fernsehproduktionen, national und international, gearbeitet.

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