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20. Dezember 1995

by Anja Tack 12.20.2024, 7 Min. read

#otd: Die Bilder der Palast-Galerie kommen ins Museum

Aufnahmedatum: 1988, Material/Technik: Foto / Farbdia, Aufnahmeort: Berlin (Ost), Inventar-Nr.: Ko B19-05, , Copyright: bpk / Gert Koshofer
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Als sich die Türen des Palastes der Republik für Publikum und Angestellte im September 1990 schlossen, verblieb die Gemälde-Galerie an Ort und Stelle. Doch vergessen blieben die Werke nicht. Der seit Sommer 1990 tobende deutsch-deutsche Bilderstreit, in dem über die Kunst in der DDR öffentlich und mitunter sehr hitzig debattiert wurde, sorgte für eine Dauerbeschallung in Presse und Öffentlichkeit. Auch die Künstler der großformatigen Werke der Palast-Galerie, unter denen tatsächlich keine Künstlerin war, waren geteilter Meinung über Wert und auch Verbleib ihrer Arbeiten. Während Wolfgang Mattheuer seine Arbeit am liebsten zurückgekauft hätte(1), ärgerte sich Ronald Paris in einem Interview darüber, dass die Bilder unter Verschluss blieben und seit Schließung des Palastes nicht mehr öffentlich zu sehen waren.(2) Interesse an den Bildern hatte auch die Berlinische Galerie signalisiert, doch die Eigentümerin der Werke, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesinnenministerium, lehnte dieses Ansinnen ab.(3)

Spätestens mit dem Beschluss vom März 1993, den Palast abreißen zu lassen, stand die Frage nach dem Verbleib der Gemälde erneut und drängend im Raum, was wiederum auch deren Bewertung nach sich zog. Waren die Bilder bloßes historisches Zeugnis einer vergangenen Epoche oder sind sie Kunstwerke? Zur selben Zeit beschäftigte sich ein Team am Deutschen Historischen Museum (DHM) unter der Leitung der Kunsthistorikerin Monika Flacke mit der Inventarisierung jener Arbeiten, die von den Parteien und sogenannten Massenorganisationen in der DDR beauftragt worden waren. 1990 waren tausende dieser Kunstwerke, die sich in den Immobilien der Parteien und Organisationen wie beispielsweise des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) befanden, in die Obhut der Treuhand gelangt. Wie sollte damit umgegangen werden? War es möglich, die Werke meistbietend zu veräußern? Welchen historischen und künstlerischen Wert besaßen die Gemälde, Grafiken, Fotografien und auch Plastiken, die sich in den zahlreichen Schulungsheimen, Parteizentralen und auch Gebäuden von Unternehmen befanden?

»Auf der Suche nach dem verlorenen Staat« lautete der Titel eines Symposiums am DHM im Dezember 1993, das die Zukunft des Kunstbestandes der Treuhand öffentlich verhandelte und abschloss mit einer Empfehlung beteiligter Expert*innen, den Bestand zu bewahren und wissenschaftlich zu bearbeiten. In der Ausstellung »Auftrag: Kunst. Bildende Künstler in der DDR zwischen Ästhetik und Politik«, die in der ersten Jahreshälfte 1995 im DHM gezeigt wurde, präsentierte das Projektteam rund um Monika Flacke eine Auswahl ihrer Forschungsergebnisse. Die Schau beleuchtete beispielhaft das Verhältnis zwischen der auftraggebenden Seite und den Künstler*innen und überließ es den Betrachtenden, darüber zu urteilen, ob trotz eines politischen Auftrages auch Kunst entstehen könne. Eine Fülle an Dokumenten und anderen Materialien waren dafür ausgestellt worden. Doch die Intention der Ausstellungsmacher*innen wurde überlagert von den immer wieder aufbrechenden Debatten über die Kunst aus der DDR, in denen vor allem – aber nicht nur – jene im Auftrag entstandenen Kunstwerke in Misskredit geraten waren und ihnen jeglicher künstlerischer Wert abgesprochen wurde. Die DHM-Ausstellung wurde als Triumph dieser Positionen wahrgenommen, als ein öffentliches Urteil über jegliche Kunst aus der DDR. Sowohl Pressestimmen als auch Besucher*innen äußerten ihren Ärger über den Ausstellungsort, einem historischen Museum, das den Kunstwerken nicht würdig sei und sahen überdies die westdeutsche Herkunft der verantwortlichen Kuratorin als Beleg einer politisch intendierten Präsentation, die dazu dienen sollte, die Kunstwerke zu diskreditieren.

Erstmalig zeigte die Ausstellung auch zwei der insgesamt 16 Arbeiten aus der Palast-Galerie – neben Wolfgang Mattheuers »Guten Tag« auch das Bild von Hans Vent »Menschen am Strand«. Im Februar 1996 folgte die Ausstellung »›Dürfen Kommunisten träumen?‹ Die Bilder aus dem Palast der Republik« im DHM, die ausschließlich die Palast-Werke zeigte und über den Auftragsprozess informierte. Erst wenige Wochen zuvor, am 20. Dezember 1995 hatte das DHM die Werke aus dem Palast als Dauerleihgabe übernommen und sämtliche dort noch verbliebenen Arbeiten in ein Depot verbracht.

Die Website, die anlässlich der Ausstellung erstellt worden war, ist heute immer noch zugänglich und inzwischen zu einem eigenständigen historischen Dokument geworden, das nicht nur die Werke zeigt, sondern auch die Ausstellungsidee in ihrer Zeit überliefert. Die Kunst aus der DDR, ob staatlich beauftragt oder nicht, stand 1996 immer noch hoch im Kurs des öffentlichen Interesses. In der nur wenige Wochen dauernden Präsentation kamen mehr als 100.000 Besuchende, um die Bilder zu sehen, nur wenige Meter entfernt von ihrem Originalschauplatz, um dessen Zukunft ebenso heftig gestritten wurde wie um die Zukunft der Kunst aus der DDR.

Zum Nach- und Weiterlesen

Anke Jenckel, Monika Flacke: Die Geschichte der Kunstgegenstände unter treuhänderischer Verwaltung, in: Bildatlas. Kunst in der DDR | www.bildatlas.de

Monika Flacke, Auf der Suche nach dem verlorenen Staat. Die Kunst der Parteien und Massenorganisation der DDR, Publikation Beiträge zum Symposium »Auf der Suche nach dem verlorenen Staat« im DHM vom 13. und 14.12.1993, Berlin 1994.

Monika Flacke, Auftragskunst der DDR 1949–1990, Katalog zur Ausstellung »Auftrag: Kunst. 1949–1990, Bildende Künstler in der DDR zwischen Ästhetik und Politik« im DHM vom 27.1. bis 18.4.1995 und im Arbeijdermuseet Kopenhagen vom 6.10. bis 17.12.1995, Berlin 1995.

Michael Philipp, Dürfen Kommunisten träumen? Die Galerie im Palast der Republik, Eine Dokumentation, 2017.

Anja Tack ist promovierte Historikerin und Ausstellungsmacherin für Museen und Gedenkstätten. Sie arbeitet zur deutsch-deutschen Zeitgeschichte und Erinnerungskultur und legt als leidenschaftliche Visual Historian großen Wert auf die Befragung von bildlichen Zeugnissen. Seit 2023 ist sie freiberufliche Redakteurin des Blogs »Der Palast der Republik ist Gegenwart«.

(1) Michael Philipp, Dürfen Kommunisten träumen? Die Galerie im Palast der Republik, München 2017, S. 45–46. (nach oben ↑)

(2) Karin Fischer, Vier Jahre Einsamkeit im Palast, in: Neue Zeit vom 21.2.1994, S. 17. (nach oben ↑)

(3) Ebd. (nach oben ↑)

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